Zu
schön,
um
sich
Sorgen
zu
machen

06/25

A climber in a red shirt and helmet, wearing Mammut gear, celebrates triumphantly atop a rocky cliff after a successful ascent.

@Petr Chodura

Petr Chodura

Adam Ondra

Adam Ondra spricht ĂŒber mentale StĂ€rke, wĂ€hrend er eine der schwierigsten Trad-Kletterrouten Großbritanniens "flash" meistert: Lexicon. Die Route hat den Schwierigkeitsgrad E11 – was bedeutet, dass sie extrem schwierig ist und ein Sturz stellenweise grosse Konsequenzen hĂ€tte.

Zu schön, um sich Sorgen zu machen

Klettern war fĂŒr mich schon immer mehr als nur eine körperliche AktivitĂ€t. Die Geschichten meiner Eltern, die frĂŒher viel Bergsteigen waren, ĂŒber Klettertouren in den Bergen mit nur sehr wenig AusrĂŒstung haben mich damals schon fasziniert. HInzu kommt, dass unsere heimischen Felsen nicht gerade gut abgesichert waren. Wenn ich dort im Vorstieg klettern wollte, blieb mir nichts anderes ĂŒbrig, als mit den Runouts klarzukommen und eine gesunde Portion Angst zu akzeptieren.

Petr Chodura, Lexicon, Lake District, England, 250516164449
Two men in Mammut hiking gear stand on rocky terrain with a mountain landscape in the background, smiling at the camera.

Grossbritannien ist ein besonderes Land, denn neben den vielen Möglichkeiten zum Sportklettern und Bouldern gibt es hier auch ein riesiges Angebot fĂŒrs Trad-Klettern. Diese Kultur ist tief in der britischen Kletter-DNA verwurzelt und es ist spannend, noch mehr darĂŒber zu erfahren. Ich habe mich anfangs nicht getraut, einige der schwierigeren Trad-Routen in Grossbritannien auszuprobieren, da viele von ihnen wirklich gefĂ€hrlich aussehen. Die Platzierung der mobilen Sicherungen ist oft sehr heikel, und ich fĂŒhle mich immer noch wie ein AnfĂ€nger, wenn es darum geht, eine Sicherung so zu platzieren, dass ich ihr vertrauen kann.

"ich
fĂŒhle
mich
immer
noch
wie
ein
AnfÀnger,
wenn
es
darum
geht,
eine
Sicherung
so
zu
platzieren,
dass
ich
ihr
vertrauen
kann."

Athleten von Mammut Adam Ondra
Adam OndraKletterer

Als mein Freund Neil Gresham 2021 zum ersten Mal Lexicon bestieg, wusste ich, dass ich mir diese Route nicht entgehen lassen konnte. Sie liegt in der wunderschönen Umgebung des Lake District, hoch in den Bergen, und verlangt dir auf perfekte Weise traditionelle KletterfĂ€higkeiten, einen kĂŒhlen Kopf und körperliche Fitness ab.

Petr Chodura, Lexicon, Lake District, England, 250516185657
A climber in a red Mammut shirt and helmet scales a steep rocky cliff, secured by a climbing rope.

Am Nachmittag kommt der Schatten, also konnten wir am Morgen noch in der Sonne wandern, quatschen und das Wetter geniessen, wĂ€hrend ich mir die Wand von der Seite aus ansah. Sie wirkte respekteinflössend – aber der Tag war einfach zu schön, um sich Sorgen zu machen. Es hat Spass gemacht, den Tag mit Neil und Craig Matheson zu verbringen, einem weiteren Local, der schon zahlreiche Erstbegehungen im Lake District gemacht hat.

Es ist etwas wunderbar Unkompliziertes daran, von Kletter:innen umgeben zu sein, die dieselbe Leidenschaft und denselben Blick aufs Leben teilen – und dabei spielt es keine Rolle, ob man sich zum ersten oder hundertsten Mal begegnet. Als der Schatten nĂ€her kam, gingen wir zum Ausstieg des Felsens. Neil seilte sich zu der Route hinab, um etwas Chalk aufzutragen und mir die möglichen Sicherungspunkte zu zeigen, wĂ€hrend ich etwa acht Meter rechts davon im Seil hing, um einen guten Blick auf die Route zu bekommen. ZusĂ€tzlich sah ich mir auf dem Handy Videos an, um mir die Beta so gut wie möglich vorzustellen.

Neil und Craig haben ihren Job gut gemacht, mich abzulenken und die Stimmung locker zu halten. Doch kurz bevor ich startete, nahm ich mir einen Moment, um mich zu sammeln und mir bewusst zu machen, was gleich passieren wĂŒrde. Ich war entspannt – doch schon die ersten Meter haben mich ĂŒberrascht. Die Route war nicht besonders schwer, aber ziemlich gewagt, und ich war mir nicht sicher, wie stabil die Kanten wirklich waren. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich diese Art Fels nicht gewohnt war, denn es lief nicht ganz so rund, wie ich es mir erhofft hatte. Als ich rund 15 Meter ĂŒber dem Boden an einer gut abzusichernden Stelle ankam, legte ich schnell und prĂ€zise ein paar solide Cams. Auf dem kleinen Vorsprung liess ich mein Kneepad liegen und entspannte mich. Fast so, als wĂ€re das einfach nur eine weitere Kletterroute.

A climber in a red shirt, wearing Mammut climbing gear, ascends a steep rocky cliff using ropes and safety equipment.
Petr Chodura, Lexicon, Lake District, England, 250516190145

Das Schwierige an Lexicon ist, dass der anspruchsvollste Teil der Route lang und unerbittlich ist. Jeder Griff ist sehr speziell, und es ist entscheidend, jede Kante und jeden Kristall genau zu kennen. Weil ich die Route flashen wollte und die ZĂŒge vorher nicht geĂŒbt hatte, wurde ich immer wieder ĂŒberrascht. Die ersten fĂŒnf liefen perfekt, aber dann begann ich zu improvisieren – die Griffe waren anders, als ich sie erwartet hatte und ich kam fast aus dem Rhythmus. Es war nicht allzu ermĂŒdend, aber ich hatte doch gehofft, dass es mir etwas leichter fallen wĂŒrde. Je weiter ich kam, desto schwerer fiel es mir, fokussiert zu bleiben. Dann kamen die letzten beiden schweren ZĂŒge.

Ein winziger Aufsteller links, ein Zweifingerloch rechts – und dann der letzte harte Zug: ein dynamischer Move in eine kleine Griffschale. Das Problem dabei ist, den Zug kontrolliert auszufĂŒhren. Vor allem, wenn man mĂŒde ist. Ich improvisierte, stellte meinen Fuss um, wechselte ihn nochmal ... und beim letzten Wechsel fĂŒhlte es sich plötzlich gut an. Also probierte ich es einfach, ohne nachzudenken. Ich erreichte die Schale – noch immer fast ohne GefĂŒhlsregung, denn zwei ZĂŒge lagen ja noch vor mir. Aber als ich dann tatsĂ€chlich den letzten Griff erreichte, wurde mir schlagartig klar, was gerade passiert war. Ich war ĂŒberglĂŒcklich und mein Körper zitterte. Ich war heilfroh, dass ich den Fall aus dieser Höhe nicht testen musste.

Danke Neil, dass du diese Route eingerichtet hast. Und danke fĂŒrs Sichern! Dass ich Lexicon geflasht habe, bedeutet mir sehr viel – und dass du auf der anderen Seite des Seils warst, bedeutet mir noch mehr!

Two climbers wearing helmets and bright Mammut jackets smile and fist bump on a rocky mountainside, equipped with Mammut climbing gear.